Parkplatzunfälle

 

Zwei Fahrzeuge sind in Bewegung und es kommt zur Kollision oder man fährt gegen ein geparktes Auto; Auf Parkplätzen ist es keine Seltenheit, dass es in engem Parkraum und dem damit verbundenem Stress zu Parkplatzunfällen kommt. 

Dabei stellt sich die Frage: Wer haftet und in welchem Maße ? 

 

Grundsätzlich richtet sich die Haftung nach der Frage: Wer hat was falsch gemacht?!

Maßgeblich ist dabei zunächst die Straßenverkehrsordnung (StVO). Die Straßenverkehrsordnung ist eine Rechtsverordnung, die Regeln für sämtliche Teilnehmer am Straßenverkehr auf öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen festlegt. D.h. im Umkehrschluss, dass die StVO-Regeln nicht für den Privatraum gelten.

 

1. Was zählt denn nun alles zum öffentlichem Verkehrsraum ? 

 

Nun sind sämtliche Parkareale privat und nicht öffentlich. Demnach muss zunächst zwischen privatem und öffentlichem Parkraum differenziert werden:

 

Öffentlicher Parkraum

Verkehrsflächen, die für jedermann, also für die Allgemeinheit, offenstehen bzw. wo allgemeiner Verkehr vom Berechtigten geduldet wird, sind öffentlich

Beispiele für den öffentlichen Parkraum: 

Parkhaus

Klinikgebäude

Parklatz eines Einkaufcenters, Supermarktes, Gastwirtschaft

 

Privater Parkraum

Ein Privatgelände hingegen liegt vor, wenn der Berechtigte erkennbar nicht jedermann die Benutzung gestatten will, sondern durch Zugangsbeschränkungen und Hinweise oder durch die Art der Gestaltung offensichtlich zum Ausdruck bringen will, dass er den Gebrauch des Geländes nur einem abgegrenzten, von ihm bestimmten Benutzerkreis gestatten will. 

Beispiele für den nichtöffentlichen Parkraum: 

Stellplätze, Garagenhof, Tiefgarage und Parkbuchten, die erkennbar nur den Bewohnern eines Hauses zugewiesen wurden

Lehrerparkplätze 

Kasernengelände 

Werksgelände, wenn der Zutritt nur Werksangehörigen und Personen mit individuell erteilter Erlaubnis möglich

 

Kommt es im privaten Parkraum zu einem Verkehrsunfall, soll nun selbstverständlich kein rechtsfreier Raum entstehen, insbesondere, wenn keine eigenen Verkehrsregeln aufgestellt wurden. Deshalb wenden die Gerichte in Streitfällen in gängiger Rechtsprechung Regeln der StVO entsprechend an.

Primär gilt hier die Norm des § 1 StVO, die zur verkehrsüblichen Sorgfalt und gegenseitige Rücksichtnahme verpflichtet. Zudem gehört auch, dass sich ein Verkehrsteilnehmer so zu verhalten hat, dass kein anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als unvermeidbar belästigt oder behindert wird. 

Je nach konkreter Fallkonstellation werden daher sämtliche Verordnungen der StVO entsprechend angewendet, um unter anderem die Frage nach der Haftung beantworten zu können.

 

 

2. Haftungsquote 

 

Allgemeine Grundsätze zur Bewertung der Haftung bei Parkplatzunfällen gibt es nicht. Tatsächlich kommt es auf den Einzelfall an. Nicht unüblich ist es dabei, dass sogenannte Haftungsquoten gebildet werden. 

 

In der Rechtsprechung haben sich einige Fallgruppen mit gewissen Haftungsquoten ergeben: 

 

a) Vorfahrtsregel auf Parkplätzen:

 

Vorfahrt hat, wer an Kreuzungen und Einmündungen von rechts kommt (§ 8 StVO Abs. 1 S. 1). 

Die Missachtung der Vorfahrtsregel im normalen Straßenverkehr führt oft zur alleinigen Haftung des Unfallverursachers.

Auf Parkplätzen werden meist andere Maßstäbe gesetzt. Tatsächlich muss zunächst beurteilt werden, ob dem Parkraum ein Straßencharakter zugesprochen werden kann, sodass § 8 StVO angewendet werden kann, oder eben nicht, dass lediglich Sorgfaltspflichtenaus § 1 StVO maßgeblich sind (Landgericht Saarbrücken, Urteil vom 21.11.2014, Az. 13 S 132/14) 

Mit Vorfahrtsverletzungen muss der Vorfahrtsberechtigte in den meisten Fällen rechnen. Dabei kann er sich nicht in jedem Fall auf den Vertrauensgrundsatz berufen. Im Zweifel muss mit gesteigerten Sorgfaltspflichten gerechnet werden und, dass keine unmittelbare Anwendung des § 8 StVO erfolgt.

Es kommt daher immer auf die Frage nach der konkreten Fallgestaltung an, dass in den meisten Fällen eine Quotierung erfolgt.

 

b) Rückwärtsfahren

 

Typisch auf Parkplätzen ist das rückwärtige Ausparken. Aus § 9 StVO geht hervor, dass beim Abbiegen, Wenden und Rückwärtsfahren Vorsicht geboten ist. Auch diese Regelung bezieht sich auf den fließenden Verkehr.

Unter Verweis auf das Urteil des Bundesgerichtshofes vom 11.10.2016 - VI ZR 66/16 spricht der Anscheinsbeweis, dass der Rückwärtsfahrende seiner Sorgfaltspflicht nach § 1 StVO in Verbindung mit der Wertung des § 9 Abs. 5 StVO nicht nachgekommen ist und den Unfall dadurch verursacht hat, vollständig gegen den Rückwärtsfahrenden. Fährt also hiernach ein Fahrzeug rückwärts aus einer Parkbucht gegen ein auf der Fahrbahn befindliches Fahrzeug, spricht der „Anscheinsbeweis“ derart gegen den Ausparkenden, dass ihn die volle Haftung trifft.

Anders gestalten sich jedoch Konstellationen, in denen beide Fahrzeuge gleichzeitig die Parklücke verlassen. Da hier beide Verkehrsteilnehmer offensichtlich nicht ausreichend den Verkehr berücksichtigt haben, wird in den meisten Fällen 50:50 gequotelt. 

Auch hier kann jedoch kein allgemeiner Grundsatz herausgelesen werden, da jeder Verkehrsunfall Eigen zu sein scheint. Es entscheiden oft die Details. Es werden Fragen zu stellen sein, ob eines der Fahrzeuge den Ausparkvorgang bereits beendet hat, sodass der Anscheinsbeweis nicht mehr gegen ihn steht. Oder, ob eines der Verkehrsteilnehmer abgelenkt war, beispielsweise auch Kinder im Wagen oder technische Geräte? All diese Fragen spielen bei der Bewertung eine Rolle, weshalb die Entscheidung sich immer nach dem Einzelfall richtet. 

 

c) Ein- und Aussteigen

 

Eine weitere Konstellation ist der Zusammenstoß zwischen einem PKW und einer geöffneten Tür eines anderen Fahrzeugs in einem Parkraum.

Hierzu ein Urteil des Landgerichts Saarbrücken

Das Fahrzeug des Klägers befand sich in einer Parktasche auf dem Parkplatz eines Einkaufmarktes. Die Tür des Fahrzeugs wurde von innen durch die Zeugin geöffnet, die kein anderes Fahrzeug wahrgenommen hat. In diesem Moment kam es zu einem Zusammenstoß mit dem Fahrzeug der Beklagten, die gerade dabei war, in die benachbarte Parktasche einfahren. Der Kläger als Halter des Fahrzeugs haftete zu 80%. Das unvorsichtige Öffnen der Fahrzeugtür sei auch auf einem Parkplatz als schwerer Verstoß zu werten; allerdings trete die Betriebsgefahr des Fahrzeugs des Klägers nicht vollständig hinter dem Verschulden der Beklagten zurück (LG Saarbrücken, Urteil vom 18.12.2015, Az. 13 S 128/15).

 

d) Geschwindigkeitsüberschreitungen

 

Fahrzeugführer sind verpflichtet, ihre Geschwindigkeit den Verkehrsverhältnissen anzupassen (§ 3 Abs. 1 StVO). Es gilt eine besonnene Fahrweise in Schrittgeschwindigkeit und stetiger Bremsbereitschaft. Teilweise werden als Höchstgeschwindigkeit auf Parkplätzen ca. zehn Stundenkilometer angenommen. Sollte ein bevorrechtigter Verkehrsteilnehmer die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschreiten, trifft ihn eine erhebliche Mithaftung. Die Haftungsquoten können bis zu 100 % ausfallen und die Betriebsgefahr auf Parkplätzen vollständig fallen gelassen werden (KG NZV 2010, 461).

 

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